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Aktuelle Meldungen der Gemeinde Kastl

Wenn das Leben Ernte trägt – Josef und Betty Weidner als Austragsehepaar beim Erntedankzug in Kastl

Wenn am 14. September 2025 in Kastl wieder tausende Besucherinnen und Besucher die Straßen säumen, Pferdehufe auf der Straße klappern und festlich geschmückte Wagen ein farbenfrohes Bild des bäuerlichen Lebens vergangener Tage zeichnen, dann ist der Höhepunkt des Kastler Jahres erreicht: der historische Erntedankzug. Inmitten dieses prächtigen Spektakels sitzt heuer ein Paar, dem die ganze Pfarrei mit herzlicher Wertschätzung begegnet – Josef und Betty Weidner aus Weha, das Austragsehepaar des diesjährigen Festumzugs.

Ein besonderer Ehrenplatz für ein besonderes Paar

Als Josef Weidner aus Weha kürzlich die Nachricht erhielt, dass er zusammen mit seiner Frau Betty als Austragsehepaar beim historischen Erntedankzug am 14. September in Kastl in der Pferdekutsche mitfahren dürfe, war die Freude groß. „Für meine Frau und mich ist es eine große Ehre. Wir hätten nie daran gedacht, dass wir gefragt werden“, erzählt Josef, der kürzlich 80 Jahre alt wurde. „Ursprünglich war geplant, dass wir auf dem Festwagen von Weha mitfahren. Dass wir nun in der Kutsche sitzen dürfen, ist nochmal ein Stück Würdigung für uns beide.“ Betty Weidner fügt hinzu: „Ich hätte die ganze Strecke zu Fuß ohnehin nicht mehr geschafft, meine Füße machen das nicht mehr mit. Jetzt gefahren zu werden, das ist schon was ganz Besonderes.“

Die lebendige Geschichte des Erntedankzugs

Der Erntedankzug in Kastl ist mehr als nur eine Veranstaltung. Er ist gelebte Tradition, Heimat und Brauchtum. Josef Weidner erinnert sich an seinen ersten Umzug als neunjähriger Bub. „Damals fuhr Hans Frank aus Weha mit einem Motivwagen, gezogen von seinen Pferden. Meine Eltern gingen zu Fuß mit. Es war der Erntewagen, so wie ihn auch heuer wieder die Wehaer gestalten werden. Seitdem war ich eigentlich jedes Mal dabei.“

„Die Stimmung ist immer sehr gut, wenn es um den Erntedankzug geht. Jeder freut sich, jeder hilft mit. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort und in der Pfarrei“, betont Josef. „Einmal hat es bis kurz vor Mittag geregnet. Wir dachten schon, alles fällt ins Wasser. Aber dann klarte es auf und es wurde der schönste Nachmittag überhaupt. Die Leute kamen in Scharen, es wurde ein wunderbares Fest.“

Ministerbesuch und bittere Erinnerung

In diesem Jahr wird auch Bayerns Heimat- und Finanzminister Albert Füracker erwartet. Für Josef ist das eine wichtige Geste: „Wenn er wirklich kommt, ist das großartig. Denn das gab es auch anders. 1968 sagte Bundeslandwirtschaftsminister Höcherl fest zu, kam aber dann doch nicht zum großen Kriegerfest nach Kastl. Das war damals ein Skandal. Für diese Veranstaltung haben wir damals extra die Wallfahrt nach Gößweinstein verschoben. Aber danach war klar: Einmal und nie wieder, seitdem findet die Wallfahrt immer am Wochenende nach Fronleichnam statt, komme was wolle!“

Teamgeist in Weha – damals wie heute

Die Ortschaft Weha beteiligt sich seit jeher mit einem Getreide-Erntewagen. „Da ist das ganze Dorf gefragt. Die Vorbereitungen für den Erntedankzug sind für Josef daher mehr als nur eine Pflicht; sie sind eine Brücke zur Vergangenheit und eine Stärkung der Dorfgemeinschaft. „Die Ortschaft Weha macht schon immer die Getreideernte auf dem Feld. Deshalb geht es auch heuer darum, sich früh genug um alles zu kümmern“, berichtet Josef. Seine Erzählungen von früheren Festumzügen zeugen von einer tiefen Verbundenheit mit der Tradition und dem landwirtschaftlichen Erbe. Vom Kornmandl bis zu den Blumen, jeder hilft mit“, sagt Josef. „Es ist schön, dass sich daran nichts geändert hat. Das gemeinsame zählt.“ Trotz der Herausforderungen durch demografischen Wandel oder gesellschaftlichen Umbruch ist Josef optimistisch: „Ich vertraue auf die jungen Leute. Sie werden auch in Zukunft solche Feste organisieren. Vielleicht anders, aber nicht weniger schön. Es wird sich immer jemand finden, der die Verantwortung übernehmen wird.“

Ein Paar, das zusammen durch dick und dünn ging

Josef und Betty haben gemeinsam viel erlebt. Die Liebe begann 1967 beim Maitanz im Gasthaus Vetter. Betty, damals noch in Funkendorf wohnend, wurde von ihrem Bruder nach Kastl gebracht. „Der hat sich gedacht: Die werden schon heimkommen“, lacht sie. „Und ich bin geblieben.“ Sie heirateten am 11. Oktober 1969. Ihre Hochzeit war ein unvergessliches Fest, mit Musik der "Schlagersterne" und einer ausgelassenen Brautentführung. „Es gibt kein Video davon, aber wir sehen es beide noch heute ganz klar vor uns. Es war wunderschön“, sagt Betty mit leuchtenden Augen. Nach der Hochzeit zog sie nach Weha. „Ein paar Nachbarinnen haben gelästert: 'Was will er mit der Gasbäuerin?' Aber ich hab mich in die Landwirtschaft hineingearbeitet. Keine Arbeit war mir zu viel.“

Hilfe für andere aus eigener Erfahrung

Josef Weidner und seine Frau sind keine Unbekannten in der Region. Im Gegenteil: Er hat Spuren hinterlassen, die bleiben. Vater von sechs Kindern, Großvater von 14 Enkelkindern, zwölf Jahre Vorsitzender des katholischen Männer- und Arbeitervereins Kastl, 40 Jahre Wallfahrtsleiter, seit über zwei Jahrzehnten engagierter Mesner und unermüdlicher Mitstreiter in Kirche, Dorfleben und Festkultur. Seine Biografie liest sich wie ein Kapitel aus dem Buch des gelebten Ehrenamts. „Ich mache das gerne. Die Leute unterstützen mich“, sagt er und fügt hinzu „Ich habe mich getraut, Verantwortung zu übernehmen, das ist wichtig im Leben.“ Diese Worte unterstreichen sein Engagement für seine Gemeinde und seinen Glauben, auch in herausfordernden Zeiten.

Denn Josef und Betty Weidner haben zusammen viele Höhen und Tiefen erlebt, darunter Josef's Kampf und die Überwindung seiner Alkoholabhängigkeit. „Nachdem ich mich wieder gefangen hab, wurde mir angeboten, eine Gruppe für anonyme Alkoholiker zu machen“, erzählt Josef. Gemeinsam mit seiner Frau leitete er 25 Jahre lang Selbsthilfegruppen in Kemnath. „Wir haben nur Vornamen verwendet. Herkunft, Beruf oder Wohnort spielten bei den Gesprächen keine Rolle“, erklärt er. Betty betreute die Gruppe der Angehörigen. „Wir haben viele Geschichten erlebt“, erinnert sie sich. Geschichten von Hoffnung, Scheitern und Neuanfang – getragen von Mitgefühl, Anonymität und gegenseitiger Unterstützung.

Der Humor als Lebenselixier

Humor war und ist immer sein Markenzeichen. „Ich war bei jeder Dummheit dabei.“ Auch die Theaterbühne war lange ein Teil seines Lebens. Legendär sind seine Auftritte mit der unvergessenen „Becken Anni“. Und ebenso legendär ist die Geschichte, als Josef an einem Sonntagnachmittag so tief ins Glas schaute, dass er im Bett landete statt am Abend auf der Bühne – bis ihn ein Eimer eiskaltes Wasser seiner Mutter wieder aufweckte. Mehrere Minuten später stand er auf der Bühne – und lieferte die beste Vorstellung der Saison ab. Diese Mischung aus Humor, Spontaneität und Pflichtbewusstsein zieht sich durch sein ganzes Leben. „Mit ehrlichem Humor geht vieles leichter“, sagt er, und man glaubt es ihm sofort.

Ein Vermächtnis, das bleibt

Was bleibt von einem Leben? In Josef Weidners Fall sehr viel. Eine tiefe Verbundenheit zur Heimat. Der Blick hinauf zum Rauhen Kulm, den er als Sinnbild für „Heimat“ empfindet. „Für mich ist der Rauhe Kulm Heimat“, sagt Josef. „Wir haben dort als Kinder gespielt, Gänse gehütet. Unheimlich war's mir nie. Nur schön.“ Die Erinnerungen an eine Kindheit voller Arbeit, aber auch voller Wärme. Und der Wunsch, dass das, was einst aufgebaut wurde, nicht verloren geht. „Abschaffen geht schnell“, sagt er nachdenklich. „Aber wieder einführen – das ist schwer.“ Deshalb ist es ihm ein Herzensanliegen, dass die Traditionen des Erntedankzugs weiterleben. Dass sie gepflegt, geschützt, gefeiert werden.

Am 14. September wird er nun, wenn nichts dazwischen kommt, mit seiner Betty in der Pferdekutsche sitzen – und mit einem warmen Lächeln den Applaus der Menschen am Straßenrand entgegennehmen. Es ist nicht nur eine Fahrt durch Kastl. Es ist eine Fahrt durch ein Leben voller Einsatz, Glaube und Menschlichkeit.

Kurze Anekdoten aus dem Leben des Josef Weidner

Beim Festumzug 1968 in Kastl stellten sich zwei Handwerksburschen während der Festrede von Bürgermeister Wagner links und rechts neben ihn ans Rednerpult und zogen Grimassen. Der Redner kam völlig aus dem Konzept, das Publikum hatte seinen Spaß. Josef stand derweil beim Rapswirt unter der Tür und konnte sich das Lachen kaum verkneifen.

Bei einer Wallfahrermesse in der Basilika von Gößweinstein wollte ein Pfarrer den Auftritt eines Gefangenenchors nicht dulden. Josef geriet in Rage, „hätte ihn fast aus der Sakristei geworfen“. Am Ende, nachdem der Pfarrer den Auftritt des Chores doch zuließ, war es ein bewegender Gottesdienst, den der Geistliche mit einer Lobrede auf den Chor beschloss.

Ein anderes Mal fiel bei einem Wallfahrergottesdienst einmal kurzfristig ein Pfarrer aus. Josef stimmte kurzerhand einen Wortgottesdienst an. Ein Anrufer petzte beim Pfarrer Gebert in Kastl: „Der Weidner hält dort eine Messe!“. Pfarrer Gebert konnte nicht glauben was er hörte, und stellte Weidner zur Rede. Als dieser hörte, dass es nur ein Wortgottesdienst war, klärte sich die Situation schnell.

In jungen Jahren fuhr Josef mit dem Unimog durch die Dörfer und sammelte für den Kemnather Milchhof die Milchkandeln ein. Man kann sich denken, was er hier alles erlebte und was ihm die Bauern am Milchbankl alles erzählten oder von ihm wissen wollten. Später war er bis zum Eintritt in den Ruhestand Bierfahrer bei der Klosterbrauerei Kemnath.